Die Schriftstellerin Ricarda Huch über Limburg

Die deutsche Schriftstellerin, Philosophin und Historikerin Ricarda Octavia Huch (1864-1947) war eine der ersten Frauen, die im Fach Geschichte promovierten, und zwar am 18. Juli 1891 in der Schweiz an der Universität Zürich, weil damals ein Studium für eine Frau in Deutschland noch nicht möglich war. Der Titel ihrer 1892 in Zürich erschienenen, 286seitigen Dissertation lautete: „Die Neutralität der Eidgenossenschaft, besonders der Orte Zürich und Bern, während des Spanischen Erbfolgekrieges“. Bekannt wurde Ricarda Huch aber durch ihre Romane sowie durch zahlreiche philosophische und historische Werke.

 

Zu ihren herausragenden Büchern zählt der im Jahr 1917 entstandene Kriminalroman „Der Fall Deruga“, der 1938 und 1958 erfolgreich verfilmt wurde. Der spannungsreiche Gesellschaftsroman handelt von dem in Prag lebenden italienischen Arzt Sigismondo Enea Deruga, der sich vor dem Schwurgericht in München für den Mord an seiner bereits vor siebzehn Jahren von ihm geschiedenen Frau Mingo Swieter verantworten muss. Vor Gericht stellt sich jedoch heraus, dass der in ärmlichen Verhältnissen lebende und zu Depressionen neigende Dr. Deruga es als Alleinerbe keineswegs auf den beträchtlichen Nachlass seiner Ex-Frau in Höhe von 400.000 Mark abgesehen hat, sondern dass sie schon lange todkrank war und ihn schriftlich ausdrücklich bat, mit seiner Hilfe zu sterben. Um Mingo Swieter weiteres Leid zu ersparen, gibt Dr. Deruga ihr gezuckerte Limonade mit dem südamerikanischen Pfeilgift Curare zu trinken. Deruga wird in dem Fall der Tötung auf Verlangen entgegen heutiger Rechtsprechung freigesprochen und verzichtet auf das Erbe zugunsten von Mingos bester Freundin, der Lehrerin Kunigunde („Gundel“) Schwertfeger.

Die am 18. Juli 1864 in Braunschweig geborene vielseitig interessierte Autorin Ricarda Huch veröffentlichte im Jahr 1927 unter dem Titel „Im Alten Reich“ eine dreibändige Sammlung von „Lebensbildern deutscher Städte“. Im zweiten Band, „Die Mitte des Reiches“, findet sich eine Liebeserklärung an Limburg und seinen Dom:

„Limpurg ein edle Stad

Im Land die schönste Kirche had.“

Besonders die eindrucksvoll auf einem hohen Felsen über der Lahn gelegene Kathedrale hat es der Dichterin angetan: „Glorreich thront sie verschmolzen mit der Burg, ein vollendetes Menschenwerk zwischen den Elementen; dienend trägt sie der Fels, schützend umrauscht sie der Strom, Winde und Gestirne kränzen sie. Von der alten steinernen Lahnbrücke hinaufblickend, nimmt das Auge sie auf wie Musik: der Stein wird Mauer, die Mauer wird Gestalt, die Gestalt Harmonie. Die sieben Türme der Kathedrale sollen die sieben Sakramente bedeuten; der große Turm über der Vierung, heißt es, stelle den Mittelpunkt des Glaubens, das Sakrament des Abendmahls dar. So schweben die ewigen Mysterien des Lebens als ein triumphierender Akkord zwischen Himmel und Erde. Über zwei untergegangenen Kirchen erhebt sich der Dom als die dritte, die Burg, wie die Sage will, über den Trümmern eines römischen, von Drusus errichteten Kastells.“

Die Historikerin Dr. phil. Dr. h. c. Ricarda Huch berichtet weiter: „Die Grafen des Niederlahngaus, die die Burg bewohnten, waren die jeweiligen Gründer der Kirchen, von denen die erste in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts durch den Erzbischof Hatto von Trier dem heiligen Georg geweiht wurde. Die zweite gründete hundert Jahre später, mit einem Stift sie verbindend, der Gaugraf Konrad Kurzbold, dessen Grabmal der Dom bewahrt. Es ist so außerordentlich schön, dass man, indem man es betrachtet, den Dom für einen Schrein halten möchte, aufgebaut, um diese Reliquie einzufassen. Die steinerne Bahre, auf der der Tote liegt, ist von leichter Anmut, dem Jugendbild angemessen, das sie trägt. Das Antlitz des Gaugrafen ist schmal und hat einen strengen, fast asketischen Zug bei aller Lieblichkeit; das Antlitz eines vornehmen Jünglings, der um hoher Ziele willen nicht ohne Schmerz und Selbstüberwindung viel verzichtet hat. Aus sehr edlem Geschlechte stammte Kurzbold, denn er war der Vetter Konrads I., der zwischen den Karolingern und den Ludolfingern regierte. Sein Vater hieß Eberhard, seine Mutter Wiltrud. Er genoss nicht nur die Gunst seines königlichen Vetters, sondern auch Ottos I., und verdiente sie durch seine Treue und seine Taten.“

 

Ihr „Lebensbild“ der Stadt Limburg an der Lahn beschließt Ricarda Huch voller Bewunderung mit den Worten:
„An die starken, stolzen und wilden Zeiten Limburgs erinnern nur noch der Dom und die Burg und die steinerne Brücke, unter der die Lahn sich um den Fuß des Felsens biegt.“

Am Morgen des 17. November 1947 starb die vielfach ausgezeichnete 83jährige Dichterin und Goethe-Preisträgerin im Gästehaus der Stadt Frankfurt in Schönberg, heute einem Stadtteil von Kronberg im Taunus, als Folge der Reisestrapazen im ungeheizten englischen Militärzug über die Sektorengrenze von Ost-Berlin nach Hannover und schließlich nach Frankfurt am Main. Ihr Ehrengrab befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof im Gewann II, Nr. 204 neben dem Verleger und Ehrenbürger der Stadt Dr. h. c. Siegfried Unseld (1924-2002).

 

Text:     Dr. Bernd A. Weil
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