Der Goldene Grund

Der „Goldene Grund“ verdankt seinen Namen dem besonders fruchtbaren gelbbraunen bis grauen Lössboden, einem homogenen, im Eiszeitalter vom Wind abgelagerten sehr feinen Sediment, das vorwiegend aus karbonathaltigem Schluff, pulverisiertem Quarz und verschiedenen Tonmineralen besteht und sogar als Heilerde Verwendung findet.

 

Geografisch umfasst der Goldene Grund einen Naturraum im Herzen des Taunus, der sich ungefähr von Limburg-Lindenholzhausen im Nordwesten bis nach Waldems-Bermbach im Südosten und von Hünfelden-Dauborn im Westen bis Selters-Eisenbach im Nordosten erstreckt. Die Längsausrichtung beträgt etwa zehn Kilometer und die Breite variiert zwischen drei und vier Kilometern. Das Höhenprofil des Goldenen Grundes reicht von rund 140 bis 295 Metern über Normalhöhennull.

Um keine Verwirrung über die Ausdehnung des Goldenen Grundes zu stiften, muss man unterscheiden zwischen dem eigentlichen Naturraum Goldener Grund, der vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie die Gebietskennziffer 303.0 erhalten hat, und dem landläufig weiter gefassten Landstrich. Zum geografisch enger gefassten Gebiet des Goldenen Grundes, das sich auf einer Fläche von 31,74 Quadratkilometern im nördlichen Teil der Idsteiner Senke ausdehnt, gehören zum Beispiel Bermbach, Esch, Wörsdorf, Walsdorf, Würges, Bad Camberg, Erbach, Dombach, Schwickershausen, Oberselters, Niederselters und Eisenbach. Zu dem im Allgemeinen mit dem Goldenen Grund assoziierten Gebiet zählt aber noch ein trichterförmiger Teil des Limburger Beckens mit dem Brecher Grund und den Ortschaften Oberbrechen, Niederbrechen, Eufingen, Dauborn, Neesbach, Werschau, Nauheim und Lindenholzhausen. Am Rande des Goldenen Grundes liegen die Gemeinden Haintchen, Münster, Ohren, Kirberg, Heringen, Mensfelden, Ennerich und Eschhofen, wo der Emsbach in die Lahn mündet.

Der flache, leicht trichterförmige Verlauf der weitgehend waldfreien Ackerlandschaft folgt im Wesentlichen den Gewässern Wörsbach und Emsbach. Die Gesamtfläche der im Erdzeitalter des Tertiärs vor 65 bis zwei Millionen Jahren entstandenen Idsteiner Senke und des Limburger Beckens beträgt 266 Quadratkilometer. Der geografische Mittelpunkt des Goldenen Grundes liegt in Bad Camberg (Im Gründchen / Ecke Emsstraße) zwischen der A 3 und der B 8 nahe der Main-Lahn-Bahnstrecke. Die exakten Koordinaten dazu lauten: 50° 17′ 34.448856″ N, 8° 15′ 18.182232″ E; die Höhe beträgt 253 Meter über Normalhöhennull.

Der Goldene Grund hat den Menschen Vieles zu bieten: ursprüngliche Natur, Erholung und Entspannung auf wunderschönen Fuß- und Radfahrwegen im Tal, historische Altstädte mit sehenswerten Marktplätzen und romantischen Fachwerkhäusern, Sport- und Freizeitangebote, Kirchen, Grotten, Burgen, Mühlen und Museen, Hügelgräber und Wüstungen, idyllische Quellen, Bachläufe, Auen und einsame Seen mit einer reichhaltigen Flora und Fauna. Alle Sehenswürdigkeiten aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Deshalb folgt hier nur eine kleine Auswahl: die historische Lindenmühle und der kurtrierische Stundenstein in Lindenholzhausen, der Nauheimer Kopf, die einzigartige Berger Kirche, die alte Schmiede und die alte Rathausschule in Werschau, das historische Rathaus, der Gefangenenturm und die mittelalterlichen Stadtmauerreste in Niederbrechen, ein Stundenstein von 1789, die Maria-Hilf-Kapelle (Eichkapelle) und mehrere Bildstöcke in Oberbrechen, das historische Rathaus (ehemalige Brunnenwache), das Kulturzentrum Alte Kirche und der Mineralbrunnen mit dem Selterswassermuseum in Niederselters, die katholische Pfarrkirche St. Petrus, die Mariengrotte am Eckweg und der Hof zu Hausen im Luftkurort Eisenbach, ein Dorfmuseum und das Naherholungsgebiet „Lago Alfredo“ in Münster, das spätklassizistische Schulgebäude, das alte Pfarrhaus und die denkmalgeschützte Kirche St. Nikolaus in Haintchen, die ehemalige Hammermühle in Oberselters, der Brunnen und der „Rote Ochs“ in Erbach, das malerische Gnadenthal mit seiner Klosteranlage, die Wörsbach-Brücke in Dauborn, der jüdische Friedhof bei Kirberg, Amthof, Marktplatz, Obertorturm, Kreuzkapelle und die beiden jüdischen Friedhöfe in Bad Camberg, die ehemalige Thurn-und-Taxis-Posthalterei und das denkmalgeschützte alte Schulgebäude in Würges, die Scheunenfront, der Hutturm und die evangelische Christuskirche in Walsdorf und vieles mehr.

Der Priester Gottfried von Beselich, genannt „der Rufer“ (clamator), gründete im Jahr 1156 in Walsdorf ein Benediktinerkloster für Mönche, das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in ein Nonnenkloster umgewandelt wurde und bis zum Dreißigjährigen Krieg den religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Mittelpunkt des Goldenen Grundes darstellte. Die mittellateinische Dotationsurkunde des Mainzer Erzbischofs Arnold von Selenhofen, die heute als Abschrift aus dem 15. Jahrhundert im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden aufbewahrt wird, berichtet, „dass Gottfried (Godefridus de Beslich), ein frommer und eifriger Priester (sacerdos religiosus in verbo dei et opere studiosus et devotus), durch seine heilige, unablässige Predigt die Einwohnerschaft (populum) des Dorfes Walsdorf (Walesdorff) so gewann und zum Überirdischen (ad superna) erhob, dass sie einen wüsten (solitarium) Platz beim Dorf, der ihr gemeinsam gehörte, auch Walsdorf genannt, dem Priester mit der Bestimmung übereignete, dass er ihn dem Gottesdienste weihe“. Mit Zustimmung des Erzbischofs und der Diözesanoberen berief Gottfried Benediktinermönche in das Walsdorfer Kloster. Aufgrund dieser Klostergründung und seiner vielfältigen Missions- und Bautätigkeit in der weiteren Umgebung wurde Gottfried von Beselich in einer alten Klosterchronik als der „Apostel des Goldenen Grundes“ bezeichnet.

Im Goldenen Grund wurden die ersten Hessen bereits vor rund 7.300 Jahren als Ackerbauern sesshaft. Die ältesten dauerhaften Siedlungen aus der Epoche der mittleren Bandkeramik am Beginn der jüngeren Steinzeit fanden Landschaftsarchäologen in der Umgebung von Walsdorf. Es handelt sich dabei um die ältesten Zeugnisse der Sesshaftigkeit des Menschen und des Beginns einer bäuerlichen Kultur, die der Historiker als sogenannte „Neolithische Revolution“ umschreibt. Die seit 1883 geläufige Bezeichnung „Bandkeramik“ leitet sich ab von den charakteristischen Verzierungen der keramischen Gefäße mit Bandmustern aus eckigen, spiral- oder wellenförmigen Linien. In der Idsteiner Senke zwischen westlichem und östlichem Hintertaunus wurden insgesamt mindestens 66 Häuser aus der Zeit der Bandkeramik nachgewiesen.

 

Durch den Goldenen Grund führen die Bundesautobahn A 3 und die Main-Lahn-Bahnlinie, die fast parallel zueinander und annähernd in Nord-Süd-Richtung verlaufen. Die heutige Bundesstraße 8 entspricht weitgehend einem Abschnitt der alten Fernhandelsstraße von Frankfurt am Main nach Köln, deren Verlauf zwischen Wörsdorf und Walsdorf als „Werisdorfer (Wörsdorfer) Straße“ bereits im Jahr 812 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Die „Cölnische Hohe Heer- und Geleitstraße“, kurz die „Hohe Straße“ genannt, verlief im Goldenen Grund über Oberems, Esch, Wörsdorf, Walsdorf, Würges, Bad Camberg, Erbach, Niederselters, Oberbrechen, Niederbrechen, Lindenholzhausen, Limburg und weiter in nord-westlicher Richtung am Ostrand des Westerwaldes entlang bis nach Köln.

Die nach strategischen Gesichtspunkten angelegte, stark frequentierte Straße von Frankfurt nach Köln diente vor allem als Handels- und Heerstraße. Außerdem wurde sie schon viele Jahre für die Beförderung der landesherrlichen Post genutzt, bevor durch die Herren von Thurn und Taxis ein allgemeiner Postverkehr eingerichtet wurde. Bis zum Jahr 1748 ritt wöchentlich ein Bote mit der Post des Landesherrn von Frankfurt am Main über Nassau nach Köln.

Eine Teilstrecke des alten Höhenweges war die Poststraße von Koblenz in die Reichsstadt Frankfurt am Main. Für die rund 105 Kilometer benötigte man damals mit einem Wagengespann insgesamt eine Reisezeit von ungefähr 21 Stunden bei einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von vier bis sechs Kilometern pro Stunde. Im Goldenen Grund verlief die alte Poststraße durch Limburg an der Lahn, Lindenholzhausen, Niederbrechen, Oberbrechen, Niederselters, Oberselters, Erbach, Bad Camberg, Würges und Walsdorf. Dann ging es weiter über Königstein und Rödelheim nach Frankfurt am Main.

Heute erinnern an die Poststrecke von Koblenz nach Frankfurt in unserer Gegend noch drei der ursprünglich vierzehn Stundensteine, die der letzte Trierer Erzbischof und Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Sachsen (1739-1812) im Jahr der Französischen Revolution 1789 errichten ließ. Es handelt sich um zwei bis drei Meter hohe dreieckige Steine aus vulkanischem Trachyt-Gestein in Form von kleinen klassizistischen Obelisken, die auf zwei Seiten beschriftet sind. Oben sieht man einen stilisierten, einer Krone ähnlichen Kurhut und die kunstvoll verschnörkelten Großbuchstaben CT für „Chur-Trier“. Darunter ist die Fahrzeit von und nach Frankfurt und Koblenz in römischen Ziffern angegeben, die immer eine Summe von 21 Stunden für die Gesamtstrecke ergibt. Unten wird das Baujahr 1789 genannt. Die drei erhalten gebliebenen Stundensteine der Koblenz-Frankfurter Poststraße befinden sich alle neben der Bundesstraße B 8: auf der linken Straßenseite zwischen der Autobahnausfahrt Limburg-Süd und der Ortstafel Limburg an der Lahn (Aufschrift: „XII Stunden von Franckfurt“ / „IX Stunden von Coblenz“) sowie etwa 400 Meter hinter Lindenholzhausen rechts neben der B 8 auf einer kleinen Anhöhe („XI Stunden von Franckfurt“ / „X Stunden von Coblenz“) und an der alten Frankfurter Straße / Ecke Werschauer Weg in Oberbrechen rund fünfzig Meter vom heutigen Verlauf der B 8 entfernt („X Stunden von Franckfurt“ und „XI Stunden von Coblenz“). Die Menschen, die damals auf diesen holprigen und nicht ungefährlichen Handels- und Poststraßen unterwegs waren, wussten noch nichts von „Entschleunigung“, weil sie noch nicht mit der Hektik unserer Tage konfrontiert waren und doch ans Ziel kamen.

Heute tragen viele Vereine, Gemeinschaften, Clubs, Schulen, Gaststätten, Wohnparks, Immobilien und Apartments, Firmen, Banken, Apotheken, Pfarreien, Hilfsorganisationen, Musikvereinigungen, Festivals, Bürgervereinigungen und Einzelinitiativen, Schriftreihen, Buchtitel, Internetseiten, Archive und sogar ein Klärwerk, eine Rettungshundestaffel und ein Tierbestattungsservice die volkstümliche Bezeichnung „Goldener Grund“ im Namen.

Eine Reise durch den Goldenen Grund, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Auto oder anhand dieses wunderschönen Bildbandes, bringt für jeden Menschen kleinere und größere Schätze zu Tage. Johann Wolfgang von Goethes Vierzeiler „Erinnerung“ aus dem Jahr 1827 gilt in besonderem Maß für unsere heimische Region:

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
denn das Glück ist immer da.

 

Text:     Dr. Bernd A. Weil
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  • Zeitreise durch Taunus und Westerwald
    Dr. Bernd A. Weil
    Norderstedt 2020

  

 

  • Unterwegs im Goldenen Grund
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